Rotierende Aufmerksamkeit beim Üben  ·  Teil 1

 


Beim Üben empfiehlt es sich, auf ein gutes Zusammenspiel von Hören, Wahrnehmen und Denken zu achten. Die französische Bratschistin Marion Leleu beschrieb dieses Prinzip in ihrem Vortrag «Viola Bites», den sie am 17. März 2020 am Bach-Musikgymnasium in Berlin gehalten hat.

 

Marion Leleu

Niklaus Rüegg - Marion Leleu sieht als Kernaufgabe ihres Unterrichts, dem Schüler beizubringen, eine Synergie zwischen Voraushören, Zuhören, Erspüren und Nachdenken zu finden und damit Rückschlüsse auf sein eigenes musikalisches Tun zu gewinnen. «Es dauert meistens Jahre, bis meine Schüler diese Methode gelernt, verinnerlicht haben und für sich selbst gut anwenden können. Aber wenn sie soweit sind, sind sie nicht nur gute Musiker und gute Instrumentalisten geworden, sondern oftmals auch reflektierte Pädagogen», stellt Leleu fest und fährt fort: «Dadurch stärkst du dich, ermutigst dich, im Moment zu bleiben und aufmerksam zuzuhören und wahrzunehmen, und bereitest damit alle diese schönen Flow-Momente auf der Bühne, die du mit den Zuhörern teilen kannst».

Säule 1: Hören
Die erste Säule des Übens besteht gemäss Leleu darin, dem eigenen Spiel genau und kontinuierlich zuzuhören und dies ohne wertende Urteile. Der Ausdruck des Spiels wird durch die Schärfung des Zuhörens reicher und tiefgründiger. Das musikalische Zuhören ist vielschichtig und umfasst sechs Parameter, denen kontinuierlich und parallel gelauscht werden muss: die Intonation, der Rhythmus, Die Klangfarbe und Klangdichte, das Vibrato, das Zusammenspiel mit andern und die Phrasierung. Eine besondere Herausforderung besteht darin, ohne Unterbrechungen zuzuhören, denn oftmals verlässt den Übenden bei einer technischen Schwierigkeit für einen kurzen Moment die Konzentration. Gründe hierfür können die Angst vor der Schwierigkeit, Selbstkritik oder Selbstablehnung sein.

Säule 2: Wahrnehmen
Die Wahrnehmung funktioniert bei den Musizierenden über Körperempfindungen. Sie nehmen ihren Körper mehr oder weniger bewusst wahr. Je intensiver und vollständiger die Wahrnehmung und das Spüren der Bewegungen geschieht, desto besser und schneller können Rückschlüsse zwischen Klang und Wahrnehmen gezogen werden. Bei der Wahrnehmung führte die Referentin neun Parameter an:

 

  1. den Körperschwerpunkt
  2. die Gewichtsverteilung auf den Beinen
  3. die Flexibilität der Knie
  4. das Spüren der Füsse
  5. die Beweglichkeit des Beckens
  6. die Elastizität des Bauches
  7. die Dehnbarkeit des Brustkorbes über die Atmung
  8. die natürliche Form und Beweglichkeit der Wirbelsäule
  9. die Biegsamkeit des Oberkörpers bzw. die Veränderbarkeit des Winkels zwischen der Brastsche bzw. Geige im Verhältnis zur Wirbelsäule

 

In Bezug auf die Kontaktpunkte zwischen Körper und Instrument gibt es nach Leleus Erfahrung «fast bei jedem Spieler Luft nach oben». Folgende Kontaktpunkte sind von zentraler Bedeutung:
 
  • Kontakt zwischen Schlüsselbein und Boden des Instrumentes
  • Kontakt zwischen Kinn/Kiefer und Kinnhalter
  • Kontakt zwischen dem «V» der linken Hand (Daumen und Zeigefinger) und dem Hals der Bratsche bzw. Geige
  • Kontaktpunkte zwischen der Fingerkuppe des spielenden Fingers und der Saite
  • Kontaktpunkte auf dem Bogen
  • Diagonaler Druck des rechten Daumens
  • Neigung und Druck des Zeigefingers
  • Das Spüren des dritten Fingers auf dem Frosch des Bogens
  • Das Spüren und das leichte «Zu-mir-ziehen» des Ringfingers auf dem Frosch
  • Der Druck des kleinen Fingers auf der Schraube

Sowohl die Geschwindigkeit wie auch die muskuläre Intensität der einzelnen Abläufe müssen in jeder Sekunde gespürt und angepasst werden können. Dabei stellen sich Fragen wie: «Benutze ich die Kräfte in meinem Körper in ausgeglichener Weise oder strenge ich mich irgendwo zu stark oder zu wenig an?» Oder: «Wie klingt es? Wie fühlt sich mein Körper an, wenn es so oder so klingt?»
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